Sonntag, 13. Januar 2008

Mein (persönlicher) politisch nicht mehr korrekter Rückblick 2007

Als Marschall Józef Piłsudski einmal von seinen ehemaligen sozialistischen Weggefährten besucht wurde, hatte er ihnen nur folgendes zu sagen: „Genossen, ich bin nur bis zur Haltestelle „Unabhängigkeit“ [gemeint ist die wiedererlangte Unabhängigkeit Polens 1918] mit der roten Straßenbahn des Sozialismus gefahren, aber da bin ich ausgestiegen.“ Den Rest seines Lebens verbrachte er als Konservativer.
Muss ich an dieser Stelle noch Churchill zitieren? Ich lass es. Nur so viel: ich bin noch lange nicht 40. „2007“ markiert für mich das Jahr in dem auch ich aus der „roten Straßenbahn“ ausgestiegen bin.

Nun, so richtig, richtig drin war ich ja nie. Im gymnasialen und studentischen und damit – natürlich – überwiegend „linken“ Umfeld hatte und habe ich schon immer etwas querköpfige Positionen bezogen. Auch muss ich mich nicht dafür schämen bei der Antifa, bei Greenpeace oder sonst wem aktiv gewesen zu sein. Trotzdem, das endgültige Erwachen, der bewusste Ausstieg aus der linken Sekte kam 2007.

Jetzt blicke ich ein wenig wehmütig zurück. Natürlich nur so weit, wie einer wehmütig zurückblicken kann, dem Wahrheit mehr wert ist als Lüge. Aber dennoch: Die Welt war früher einfacher!

Der Kapitalismus war ein notwendiges Übel. Hier und da musste er schon zurecht gestutzt werden (Am Ende nämlich überall wo es nur irgendwie geht). Immerhin ist die Wirtschaft für die Menschen da und nicht die Menschen für die Wirtschaft (und die bösen Manager, die bei satten Gewinnen Angestellte entlassen). Ohnehin war alles einfacher, denn es gab immer Gut und Böse. Die Bösen Manager und Reichen, die den Armen und folglich guten Angestellten das Geld wegnahmen. Wirtschaft als Milchmädchenrechnung. So kann jeder mitreden und sich schlau fühlen. Vorzugsweise Religionslehrer und Germanistikstudenten, deren mathematische Kenntnisse bei den Grundrechenarten aufhören.

Schlau fühlen – ein gutes Stichwort. Oh war das schön sich kollektiv schlau zu fühlen! Denn es war doch alles so klar: Die USA (sind die Bösen) und machen uns alles kaputt! Warum verstehen sie denn nicht, das Gewalt Gegengewalt erzeugt? Wie können wir denn von den Tyrannen, Despoten und Massenmördern dieser Welt erwarten, dass sie sich an internationales Recht halten, wenn der selbsternannte Weltpolizist USA es nicht tut? Kein Wunder, dass sich die armen, unterdrückten (also guten) Moslems – pardon, Islamisten – als Zeichen des Protestes irgendwann Bombengürtel umschnallen und Hochzeitgesellschaften in Israel in die Hölle schicken, während sie sich fortan mit 72 Huris (oder waren es 74?) beim Allmächtigen amüsieren dürfen. Die Juden sind doch (mal wieder) selber (und irgendwie an allem) Schuld! Nichts zu vergessen, die Helden und Vorbilder des Widerstandes gegen - ...ähmm, ja was eigentlich? Egal! Hauptsache dagegen – die vom Westen und Kapitalismus gebeutelten Jungs, die am 11.09.2001 mit Flugzeugen in Hochhäuser geflogen sind und 3000 Menschen ermordet haben. Natürlich ist Gewalt zu verurteilen, ABER von „Nichts kommt Nichts“ und irgendwie müssen sich die Armen dieser Welt doch wehren. Aber Moment. Durften die Attentäter nicht auf unsere Kosten in Deutschland studieren und Bildung genießen? Und unsere Toleranz? Und Stop mal! Sind zwei einstige Entwicklunsländer (China und Indien) nicht auf bestem Wege sich zu Wirtschaftsmächten zu entwickeln und das just ab dem Moment, ab dem sie sich von sozialistisch-planwirtschaftlichen Experimenten ab- und dem Kapitalismus zugewendet haben?

ALARM ALARM! Die Realität gefährdet unser schönes linkes Weltbild! Schnell Totschlagsargument rausholen: IHR SEID ALLE NAZIS!!! oder etwas subtiler: öffentlich-rechtliche anschalten. Die öffentlich-rechtlichen, ein Garant für objektive Berichterstattung. Wie gut, dass es sie gibt und sie die Dinge doch immer wieder ins rechte - Achtung Kalauer – ich meine linke Bild rücken. Da las man doch zum Beispiel auf tagesschau.de: „Nur jeder dritte Inder profitiert vom Auschwung“. Was für ein Skandal! Dieser fiese Kapitalismus! Nur jeder dritte? Würden die Wilden uns doch den Gefallen tun und einfach arm (aber Dank Yoga und Mangel an Konsumgütern und Shoppingcentern, sowie Lepra und Pestepidemien zum trotz glücklich) bleiben!

Und doch, es beschleicht mich ein unbehagliches Gefühl. Das Gefühl von Einsamkeit. Bin ich vielleicht der Einzige, wirklich der Einzige in diesem Land, den die Absurdität einer solchen Meldung anspringt? Es weckt sich in mir die Sehnsucht nach der Zeit, als ich noch aus Faulheit und Geiz der GEZ meinen Beitrag versagte – nicht wie jetzt aus Ekel.

Aber lachen ist die beste – und vielleicht einzige - Medizin und darum hier einer meiner Favoriten aus der Hitparade der öffentlich-rechtlichen Manipulationen und Absurditäten: In einer Reportage über Afghanistan auf ARD, ZDF, 3Sat oder so, fiel folgende Aussage: „In diesem Dorf sind 80% der Einwohner Analphabeten – DAFÜR [Einstellung auf irgendeine Hütte in der drei Typen mit Turban auf einem Metallstück rumkloppen] aber handwerklich unglaublich geschickt!“. Mein Gott, manchmal wünschte ich mir auch ich wäre Analphabet und könnte meiner Freundin dafür aus Granathülsen Schmuck basteln. Oder vielleicht eine schicke und praktische Halskette (siehe Foto)?

Nun gut, wenn man sich in den netten Gesprächsrunden schon nicht zum Thema Wirtschaft oder Terrorismus einigen konnte, dann blieb doch immer das eine weltanschaulich festigende, das schöne „wir sind schlauer als der ganze blöde Rest“-Gefühl bewahrende und Freundschaften rettende Thema: DIE RECHTE GEFAHR! Denn, so sprach Gott, in Deutschland gibt es nur Deutsche und Ausländer. Die deutschen sind böse und gegen die armen (und guten) Ausländer (also auch gegen mich, denn ich bin „Ausländer“). Deutsche behandeln Ausländer schlecht. Gerne würde sie sie alle verprügeln. Wenn „Ausländer“ durch asoziales Benehmen auffallen, also vor allem amerikanische Gastprofessoren, japanische Austauschstudenten, polnische Krankenschwestern und italienische Pizzabäcker, dann tun sie es, weil sie sich aus Frust und Perspektivlosigkeit gegen die bösen Deutschen wehren. Was nicht in dieses Schema passt, wird ignoriert. Was vielleicht ein bisschen passt wird in das Schema gepresst. Wenn man es in solchen Gesprächsrunden dann wagt, zu bemerken, dass von den ca. 250 in Berlin erfassten jugendlichen Serientätern 80% Araber und Türken sind, oder dass es in Deutschland neben dem Problem rechter Gewalt und rechten Extremismus auch ein gleichwertiges Problem mit dem linken Pendant gibt – beides wohlgemerkt statistische Tatsachen – dann wird man auf einmal von sogenannten „Freunden“ ganz schnell als „Rassist“ oder „Faschist“ beschimpft.

Für den Fall, dass der Humor, oder eher Zynismus, es bis jetzt nicht hat erkennen lassen: Ich meine es schon ernst, wenn ich sage, dass ich ein wenig wehmütig zurückblicke. Denn früher war es wirklich einfacher. Die Welt war einfacher. Und man hat sich in ihr am richtigen Platz gefühlt. Unter Freunden und Verbündeten. Jetzt findet man sich immer häufiger vor der Wahl, ob man sagt was man denkt und dafür mal schnell als „Rassist“ oder „Faschist“ beschimpft wird oder lieber schweigt. Jetzt findet man sich wieder in einer Welt gespickt mit „Wahrheiten“, die eigentlichen Absurditäten sind, verkörpert und propagiert von menschlichem Mittelmaß. Wohin man schaut, das Mittelmaß, die selbstverliebte Durchschnittlichkeit scheint in völliger Übermacht.


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